Verkündungsdatum: 17.12.2020
Der Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen (LMTVet) erlässt zum Vollzug der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus (BVDV-Verordnung (1) folgende Allgemeinverfügung:
Die Impfung von Rindern gegen die BVDV-Infektion ist ab dem 1. Januar 2021 im gesamten Gebiet des Landes Bremen verboten. Der LMTVet kann nach einer Risikobewertung befristet Ausnahmen von Satz 1 für Rinderhaltungen zulassen, bei denen aufgrund der betrieblichen epidemiologischen Situation eine Impfung fachlich zwingend notwendig erscheint.
Im Gebiet des Landes Bremen dürfen ab dem 1. Januar 2021 in einen Rinderbestand ausschließlich BVDV-unverdächtige Rinder eingestellt werden, die nicht gegen BVDV geimpft worden sind. Ausnahmen können durch den LMTVet nach Abwägung im Einzelfall genehmigt werden.
Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wird angeordnet.
Diese Allgemeinverfügung tritt am Tag nach der Bekanntgabe in Kraft.
Gründe:
Zu. 1. und 2.
I
Die BVDV-Infektion ist eine anzeigepflichtige Tierseuche der Rinder. Sie wird in Deutschland seit dem 01.01.2011 staatlich bekämpft. Seitdem ist ein kontinuierlicher Rückgang der Zahl BVDV-infizierter Bestände zu verzeichnen. Die Tilgung der Tierseuche Bovine Virusdiarrhoe / Mucosal Disease und die Anerkennung des Landes Bremen als BVDV-seuchenfreie Region im Sinne des Art. 36 der Verordnung (EU) Nr. 2016/429 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 9. März 2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit sind das Ziel.
Ein solcher Status ermöglicht es dann, durch verpflichtende Zusatzgarantien beim Verbringen von Rindern die Rinderbestände im Land Bremen vor BVDV-Neuinfektionen zu schützen. Seit Ende 2016 wurden im Land Bremen keine BVD –Ausbrüche festgestellt. Diese günstige epidemiologische Situation und die Tatsache, dass der überwiegende Teil der Betriebe in Bremen noch nie geimpft hat, erlauben den Erlass eines allgemeinen Impfverbotes zum 1. Januar 2021.
Eine der Voraussetzungen für die Gewährung des Status „frei von Boviner Virusdiarrhoe“ für Bremen ist gemäß Art. 72 Buchstabe f in Verbindung mit Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitt 1 Buchstabe a der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2020/689 der Kommission vom 17. Dezember 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich Vorschriften betreffend Überwachung, Tilgungsprogramme und den Status „seuchenfrei“ für bestimmte gelistete und neu auftretende Seuchen (ABl. L 174 vom 3.6.2020) das Verbot der Impfung gegen BVDV für gehaltene Rinder in Bremen.
II
Der Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen (LMTVet) ist für den Erlass dieser Anordnung sachlich und örtlich zuständig (§ 8 Nr. 2 Brem. Tierseuchenrechts-Zuständigkeitsverordnung (2); § 3 Abs. 1 Nr. 3 BremVwVfG (3))
Die Anordnung des Impfverbots in Ziffer 1 der Allgemeinverfügung beruht auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 der BVDV-Verordnung. Danach kann die zuständige Behörde die Impfung der Rinder eines bestimmten Gebietes gegen die BVDV-Infektion verbieten, wenn Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen.
Die Einstellungsanordnung in Ziffer 2 ist auf § 38 Abs. 11 i.V.m § 6 Abs. 1 Nr. 11 Buchstabe c Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz – TierGesG) gestützt. Danach kann die zuständige Behörde zur Vorbeugung vor Tierseuchen und deren Bekämpfung eine Verfügung erlassen, soweit durch Rechtsverordnung eine Regelung nicht getroffen worden ist. Die anderweitig nicht getroffene Regelung, dass nur ungeimpfte Tiere in Bremer Bestände eingestellt werden dürfen, ist notwendig, da eine Unterscheidung von Impf- und Feldvirusantikörpern bei BVDV nicht möglich ist. Nur die Antikörperfreiheit beweist somit sicher die Abwesenheit des BVDV im Rinderbestand. Ein Betrieb kann weiterhin einen Status „frei von BVD“ gemäß Art. 18 Absatz 1 i. V. m. Anhang IV Teil VI Kapitel 1 Abschnitt 2 Buchstabe d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2020/689 der Kommission nur aufrechterhalten, wenn in den Betrieb nur Rinder eingestellt werden, die nicht gegen BVDV geimpft wurden, sofern der Betrieb in einer BVD-freien Zone liegt. Den Status „BVD-freie Zone“ nach Art. 72 Buchstabe f der genannten Delegierten Verordnung strebt das Land Bremen zum 21. April 2021 an.
Dem Impfverbot stehen keine Belange der Tierseuchenbekämpfung entgegen. In Anbetracht der unter Abschnitt I dargelegten epidemiologischen Situation in Bremen bzw. des erreichten Standes der Tilgung der Tierseuche ist eine Fortführung der Impfung für einen Abschluss des Tilgungsverfahrens und zur Inanspruchnahme weiterer Schutzgarantien nicht zielführend. Die mit einer Impfung verbundene Unsicherheit in Bezug auf die Virusfreiheit stellt bei der Vielzahl der Kontaktmöglichkeiten im Viehverkehr ein nicht vertretbares Risiko für die BVDV-freie Rinderpopulation dar.
Eine Einschleppung von BVDV wird auch dadurch verhindert, dass gemäß Ziffer 2 der Allgemeinverfügung (i.V.m. § 4 Abs.1 der BVDV-Verordnung) ausschließlich BVDV-unverdächtige Rinder in Bestände in Bremen verbracht werden dürfen. Neuinfektionen werden in erster Linie auf den Zukauf von nicht-virusfreien Tieren zurückgeführt. Eine vorsorgliche Schutzimpfung von Rindern gegen BVDV ist deshalb entbehrlich.
In Rinderbestände im Land Bremen dürfen daher ab 1. Januar 2021 grundsätzlich nur noch BVDV-unverdächtige Rinder eingestellt werden, die nicht gegen BVDV geimpft worden sind. Dabei müssen die Rinder von einer Bescheinigung gemäß § 4 Abs. 1 BVDV-Verordnung begleitet sein.
Der LMTVet hat das ihm eingeräumte Ermessen insoweit pflichtgemäß ausgeübt.
Die angeordneten Maßnahmen in Ziffer 1 und Ziffer 2 des Tenors verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgen in erster Linie den Zweck der Förderung der Tiergesundheit als Bestandteil des Tierschutzes, der Verhinderung von Reinfektionen und der Verhinderung volkswirtschaftlicher Schäden. Sie dienen damit dem öffentlichen Interesse. Zur Förderung der allgemeinen und spezifischen Tiergesundheit sind Seuchen zu bekämpfen und, soweit möglich, zu tilgen. Die im Zuge der Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen sind unerlässliche Komponenten bei der BVDV-Bekämpfung. Insbesondere die große Zahl bereits BVDV-unverdächtiger Betriebe hat ein hohes Interesse daran, weiterführende Schutzmaßnahmen auf Grundlage der angestrebten Erklärung der Seuchenfreiheit gemäß der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2020/689 der Kommission in Anspruch nehmen zu können, um diese Seuchenfreiheit auch auf Betriebsebene sicherzustellen.
Zur Verfolgung dieser Zwecke sind das Impfverbot und die Einstellungsanordnung geeignete Maßnahmen, um den Anteil nicht geimpfter BVDV-freier Tiere innerhalb der Rinderpopulation in Bremen kontinuierlich zu erhöhen als Voraussetzung zur Anerkennung des Landes Bremen als BVDV-freie Region und die Statuserlangung „Betrieb der frei von BVD ist“ für rinderhaltende Betriebe in Bremen auf Grundlage der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2020/689 der Kommission.
Um eine Anerkennung durch die EU zu erreichen, sind das Impfverbot und die Beschränkung der Einstellungsmöglichkeiten erforderlich. Es gibt keine alternativen Möglichkeiten, mit denen die angestrebten Ziele gleich gut erreicht werden könnten und die gleichzeitig weniger einschneidend sind.
Das Impfverbot und die Einstellungsanordnung sind ferner angemessen, da das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Seuche das Interesse der Rinderhalter am freien Bestimmungswillen über ihr Eigentum überwiegt. Bei den Verfügungen handelt es sich lediglich um Nutzungsbeschränkungen. Diese stellen keine Eigentumsentziehung dar.
Jegliche Seuchenbekämpfung dient neben der Förderung der allgemeinen und spezifischen Tiergesundheit auch der Gewährleistung des Tierschutzes, je nach Erkrankungsart dem Verbraucherschutz ebenso wie der wirtschaftlichen Entwicklung des Betriebes. Eine BVDV-Infektion kann zu massiven klinischen Erscheinungen und damit wirtschaftlichen Einbußen führen. Auch die erforderlichen seuchenprophylaktischen Maßnahmen zum Schutz der Betriebe, die die BVD getilgt haben, vor Reinfektionen bedeuten für diese Unternehmen nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen für Biosicherheitsmaßnahmen, welche nicht durch den Betrieb selbst, sondern die Tierhaltungen in der Region mit niedrigerem seuchenhygienischen Status bedingt werden. Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an den angeordneten Maßnahmen die Interessen der dadurch betroffenen Tierhalter am freien Bestimmungswillen über ihr Eigentum überwiegt. Dem Interesse der betroffenen Tierhalter, mit ihren Tieren nach Belieben zu verfahren zu können, stehen mögliche erhebliche wirtschaftliche Schäden, der Schutz der anderen freien Bestände und der Tierschutz als zwingende Gründe gegenüber. Zudem dienen die angeordneten Maßnahmen dazu, die Anerkennung des Landes Bremen als BVDV-freie Zone zu erreichen. Damit geht wegen des höheren Tiergesundheitsstandards der Rinder eine Verbesserung der Handelsmöglichkeiten für alle Tierhalter einher. Da dies allen Rinderhaltern zugutekommt, dienen die Maßnahmen letztlich auch den Interessen der von den Maßnahmen betroffenen Tierhalter.
Darüber hinaus sind in Ziffer 1 und Ziffer 2 der Allgemeinverfügung zur Vermeidung unbilliger Härte Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen. So kann bei Rinderhaltungen, bei denen aufgrund der betrieblichen epidemiologischen Situation eine Impfung fachlich zwingend notwendig erscheint, bei Vorliegen einer ausreichenden Begründung und befürwortenden Stellungnahme des LMTVet nach Risikobewertung eine befristete Ausnahme vom allgemeinen Impfverbot erteilt werden. Ferner kann der LMTVet im begründeten Einzelfall Ausnahmen vom Verbot der Einstellung geimpfter Rinder zulassen.
Zu 3.
Die sofortige Vollziehung wird auf Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (4)angeordnet und ist erforderlich, weil eine sofortige Durchsetzbarkeit der Anordnung im besonderen öffentlichen Interesse notwendig ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfordert ein besonderes Vollzugsinteresse, welches über jenes hinausgeht, das den Bescheid rechtfertigt. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass die zur wirksamen Seuchenbekämpfung erforderlichen Maßnahmen ohne zeitlichen Verzug durchgeführt werden können. Diesem besonderen öffentlichen Interesse stehen keine vorrangigen oder gleichwertigen Interessen des Tierhalters gegenüber, die es rechtfertigen könnten, die Wirksamkeit der Allgemeinverfügung bis zu einer zeitlich noch nicht absehbaren unanfechtbaren Entscheidung über einen möglichen Widerspruch hinauszuschieben. Aufgrund des in Bremen erreichten hohen BVDV-Freiheitsgrades ist es aus fachlichen und rechtlichen Gründen erforderlich, die angeordneten Maßnahmen ohne zeitlichen Verzug zu vollziehen. Die Maßnahmen sind sowohl im öffentlichen Interesse wie im Interesse der potentiell gefährdeten Tierhalter unbedingt erforderlich.
Nach § 41 Abs. 4 Satz 3 BremVwVfG gilt eine Allgemeinverfügung zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag gem. § 41 Abs. 4 Satz 4 BremVwVfG bestimmt werden. Von dieser Ermächtigung wurde in der Allgemeinverfügung Gebrauch gemacht, da die angeordneten tierseuchenrechtlichen Maßnahmen keinen Aufschub dulden.
Die Allgemeinverfügung wird auf der Grundlage des § 41 Abs. 3 Satz 2 BremVwVfG öffentlich bekannt gegeben. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis so groß ist, dass er, bezogen auf Zeit und Zweck der Regelung, vernünftigerweise nicht mehr in Form einer Einzelbekanntgabe angesprochen werden kann.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen, Lötzener Str. 3, 28207 Bremen einzulegen.
Auf Ihren Antrag kann das Verwaltungsgericht Bremen die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Hinweis:
Vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen einige dieser Tierseuchen-rechtlichen Anordnungen können gemäß § 32 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a des Tiergesundheitsgesetzes (5) als Ordnungswidrigkeit verfolgt und nach § 32 Abs. 3 mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden.
(1) BVDV-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 2016 (BGBl. I S. 1483)
(2) Verordnung über die zuständigen Behörden nach dem Tierseuchenrecht vom 5. Dezember 1995 (Brem.GBl. 1995, S. 481), in der zurzeit geltenden Fassung
(3) Bremisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BremVwVfG), in der zurzeit geltenden Fassung
(4) Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), in der zurzeit geltenden Fassung
(5) Tiergesundheitsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2018 (BGBl. I S. 1938), in der zurzeit geltenden Fassung
Bremen, den 15.12.2020, Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen
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